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       Evangelisch 
        luth. Kirche in LANZENRIED 
      
         
           
            
                
               
              Adresse: 
              85229 Markt Indersdorf, Lanzenried 5  
              Lage der Kirche 
              auf der Landkarte ...  
            
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              Beschreibung  
            Die Ortschaft 
              Lanzenried (Rodung des Lanz) wurde erstmals 1461 in einer 
              Urkunde erwähnt. Damals verkaufte der Münchner Bürger 
              Hanns Wilbrecht seinen Hof in Lanzenried dem Engelbrechtsmüller 
              von Indersdorf. 25 Jahre später, 1487, kam der Hof zum Kloster 
              Indersdorf zu dem er mit einem weiteren Anwesen bis zur Klosteraufhebung 
              1783 gehörte. 13) 
              1824 bestand der Ort aus 2 
              Häusern 15); 
              heute stehen hier vier Wohngebäude.  
             Die 1836 erbaute 
              Kirche in Lanzenried ist die älteste evangelische Kirche 
              im Landkreis Dachau. Sie gehört zur evangelischen Gemeinde 
              Kemmoden / Petershausen, deren Gebiet fast den gesamten Nordosten 
              des Landkreises Dachau umfasst.  
               
              Die Kirchengemeinde entstand um 1820. Schon vorher hatte König 
              Max I unter dem Einfluss seiner ev.lutherischen Gemahlin Karoline 
              von Baden die strengen Religionsbeschränkungen gelockert 12): 
               
              - Ab 1800 konnten Protestanten das Bürgerrecht erwerben. 
              - ab 1803 waren alle Religionsgemeinschaften gleichberechtigt.  
               
               
             
               
                König 
                  Max I. rief Siedler aus seiner Heimat, der evangelischen Rheinpfalz, 
                  in dünn besiedelte bayerische Gebiete. 
                  Etwa 100 Familien kamen, siedelten u.a. in Fränking, Eck, 
                  Neuried, Wengen-hausen, Senkenschlag, Kleinschwab-hausen, Kemmoden 
                  und Lanzenried und machten in jahrelanger harter Arbeit das 
                  Land urbar. | 
                
                   
                    Taufkanne 
                    und -schale  
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      In Lanzenried wurde 1819 der bis 
        zur Säkularisation dem Kloster Scheyern gehörende Einödbauernhof 
        geteilt; zwei Familien, ein Protestant (Daniel Walther mit Frau und 3 
        Kindern) und ein Mennonit, kauften die beiden Hälften und ließen 
        sich dort nieder.  
         
        Das erste geistige Zentrum war Kemmoden im 
        Lkr. Pfaffenhofen. Dort wurde 1828 eine Kirche gebaut.   
      Seit 1833 hatte Lanzenried einen 
        Lehrer, der 1837 die kleine Wohnung neben dem Schulraum bezog.  
        Am liebsten hätte man in Lanzenried auch einen eigenen Vikar gehabt, 
        was der Gemeinde 1838 vom Dekanat und Landgericht halb und halb zugesagt 
        war. Doch stemmte sich der Pfarrvikar von Kemmoden Johann Heinrich Leibig 
        dagegen, weil er statt zweier klei-ner Vikariate lieber eine große 
        Gemeinde haben wollte.  
      Das Gemeindemitglied Daniel Walter, 
        der Sohn des ersten Siedlers, dessen Schwester mit dem ersten Lehrer Philipp 
        Lörsch verheiratet war, stellte Grund und Boden für die Kirche, 
        einen kleinen Garten und den Friedhof in Lanzenried zur Verfügung 
        (so wie sein Urenkel Wilhelm, der 1996 den Grund für den Parkplatz 
        stiftete. 14) 
          
         
        1836 wurde darauf das zweistöckige Gotteshaus (als drittälteste 
        protestantische Kirche in Altbaiern) errichtet. Doch der erste Gottesdienst 
        wurde erst 1840 abgehalten; und regelmäßige Gottesdienste 
        (alle zwei Wochen) fanden in Lanzenried (wegen Widerstands aus Kemmoden) 
        sogar erst ab 1865 statt.  
        Am 17.Mai 2015 feierte die Kirchengemeinde mit einem Festgottesdienst 
        (mit Dekan Uli Seegenschmiedt, Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Pfarrerinnen 
        Simone Hegele und Kath. Heunemann, Pfarrer Peter Dölfel sowie und 
        300 Besuchern) das 175jährige Bestehen der Kirche. Die Abgeordneten 
        Erich Irlstorfer und Bernhard Seidenath sowie die Vertreter von Landrat 
        und Bürgermeister, Marianne Klaffki und Hubert Böck sprachen 
        Grußworte 11) 
       
      1840 wurde also der zweite 
        Gemeindemittelpunkt in Lanzenried eingerichtet, um den Gläubigen 
        die 12 Kilometer Fußmarsch nach Kemmoden zu ersparen (eine evangelische 
        Schule gab es schon seit 1824 in Stachusried und in Tafern).  
         
       1868 hatte der Ort Lanzenried 
        insgesamt 24 Einwohner. Davon waren 12 Protestanten, 3 Mennoniten sowie 
        9 Katholiken (die zur Pfarrei Weichs gehörten) 01). 
         2015 wohnten 14 Einwohner 
        in vier Bauernhöfen 11). 
         
      Das bescheidene Gotteshaus, das 
        sich auf Grund seiner Doppelfunktion als Kirche und Schule von den katholischen 
        Kirchen der Umgebung unterscheidet, ist in der Formensprache des damals 
        vorherrschenden Stils des Klassizismus erbaut, mit Rundbogen-fenstern 
        und einem Dachreiter als Glockenturm. In diesem Turm hängen zwei 
        Glocken, die mit den Glockenseilen 
        vom oberen Stockwerk aus mit der Hand geläutet werden.  
       Hinter der Kirche befinden sich 
        eine Wiese und der idyllisch gelegene Friedhof mit alten Bäumen, 
        der von einer Hecke begrenzt wird. Dieser Friedhof und der in Kemmoden 
        sind die einzigen evangelischen Friedhöfe in Oberbayern.  
      Die Kirche in Lanzenried besitzt 
        das gleiche Schema wie die Kirche in Kemmoden: Im Erdgeschoss der Schulraum 
        (wurde als solcher bis 1931 genutzt 09)) 
        und eine kleine Pfarrer- bzw. Lehrerwohnung; im Obergeschoss der schlichte 
        Betsaal, der von 8 Fenstern erhellt wird und mit einer dunklen Profilholzdecke 
        versehen ist.  
      Das Kirchengebäude von Lanzenried 
        steht (wie das von Kemmoden) unter Denkmalschutz. In 
        der Denkmalliste 17) 
        ist sie unter der AktenNummer D-1-74-131-48; "Lanzenried 5; zweigeschossiger, 
        einseitig abgewalmter Rechteckbau mit großem Dachreiter, 1836" 
        enthalten. 
       
      Innenraum 
         
      Im Kirchenraum ein einfacher Altar, 
        der von einem großen Kruzifix 
        überragt wird. Die Schnitzfigur des Corpus Christi ist ungefasst. 
         
        Auf dem Altartisch stehen vier aus Holz geschnitzte oder gedrechselte 
         Kerzenleuchter und 
        ein schmucker Buchständer mit darauf liegender Bibel. Auf einem Tischchen 
        neben dem Altar befinden sich eine mit modernen Gravuren versehene Taufkanne 
        und eine Taufschale mit dem eingravierten Text: "Lasset die Kindlein 
        zu mir kommen und wehret es ihnen nicht".  
      Die ins. 13 Kirchenbänke 
        für die Besucher sind in blau-türkis lackiert. Dadurch gewinnt 
        auch der Raum an "Farbe". Die Wangen sind aus glatten Brettern 
        ausgeschnitten. Ihr Relief erinnert an barocke Formen. Die Wangen sind 
        über 95 cm hoch; sie haben damit die alten protestantischen Maße. 
        Denn nach einem Lehrbuch für Möbelschreiner aus dem Jahr 1892 beträgt/betrug 
        die Höhe von Bänken für protestantische Kirchen knapp einen Meter, während 
        sie in römisch-katholischen Kirchen bei nur 80 bis 90 cm liegt/lag. 
      Der Orgelliteratur ist zu entnehmen, 
        dass der Orgelbauer Rudolf Kubak aus Augsburg im Jahr 1977 eine kleine, 
        einmanualige Orgel mit 4 Registern einbaute 02). 
       
      An der im Übrigen schmucklosen 
        weißen Wand ist eine  Tafel 
        aus Rotmarmor für die aus Lanzenried stammenden Soldaten angebracht, 
        die im Ersten Weltkrieg gefallen sind.  
        Der Text im blumigen Stil der damaligen Zeit lautet: "Der Tod seiner 
        Heiligen ist wertgehalten vor dem Herrn" (Psalm 116, Vers. 15). Ehrentafel. 
        Im heiligen Kampf für Haus und Heim starben aus dem Lanzenrieder 
        Bezirk der evangelischen Gemeinde Kemmoden den Heldentod:  
          Johann Scheib aus Tafern, Infanterist in Bayr.Res.Inf.Rgt. 
        gefallen am 19.Sept.1915 bei Arras im 23.Lebensjahre,  
          Johann Scheib aus Neuried, Infanterist in Bayr.Fuss.Rgt. 
        verw. am 24.März 1916 in Forges bei Verdun, gest. am 27.Maerz  
           1916 im Kriegslazarett zu Dun im 24. Lebensjahr.  
          Friedrich Kroll aus Eichstock, Infant. im 16.Bayr.Inf.Rgt.gefallen 
        am 22.Okt. 1917 in Flandern an der Strasse Ypern-Menin im  
           22.Lebensjahre.  
          Georg Moser aus Weiherhaus, Infant. im 1.Bayr.Inf.Rgt. Verw(undet) 
        am 28.Juli 1918 bei Soissons, gest. auf dem  
           Hauptverbandsplatze bei Vregny am 1.Aug. 1918 im 10.Lebensjahre. 
         
        Die Getreuen sollen uns in unauslöschlichem Gedächtnis bleiben. 
        Niemand hat grössere Liebe, denn die, dass er sein Leben lässt 
        für seine Freunde. 1914  1918." 
          
      
         
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             Kriegertafel 
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             Altarkruzifix 
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             Bibel 
              und Leuchter 
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             Taufgeräte 
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             Glockenseile 
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      Derzeit finden in Lanzenried 
        14-tägig Sonntagsgottesdienste statt. 
         
         
       
        Innerevangelische 
        Ökumene 
      Die evangelischen Siedler 
        heirateten fast ausschließlich untereinander. So ist der Pfarrchronik 
        zu entnehmen, dass in der Schule über 20 Kinder mit dem gleichen 
        Familiennamen saßen 04). 
      Die Neusiedler aus 
        der Rheinpfalz gehörten nicht nur der lutherischen Kirche an; auch 
        Reformierte und Mennoniten waren unter ihnen.  
      
         
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             Deshalb 
              lag in der Frage nach der "richtigen Gottesdienstform" und der richtigen 
              Auslegung der Bibel viel Konfliktstoff.  
             Ein besonderes Problem war 
              die Bekenntniszugehörigkeit der Kinder bei Eheleuten verschie-dener 
              evangelischer Glaubensrichtungen (Ehen mit Katholischen wurden - 
              wie oben erwähnt- praktisch nie geschlossen, die Siedler heirateten 
              nur untereinander).  
            Man einigte sich ab 1835 schließlich 
              darauf, dass die Töchter dem Glauben der Mutter, die Söhne 
              aber dem väterlichen Bekenntnis folgten.  
            Beim Reichen des Abendmahls 
              ging es streng abwechselnd zu; Lutheraner erhielten Hostien, Reformierte 
              Brot. Es dauerte lange Zeit, bis sich in Kemmoden und Lanzenried 
              der lutherische Ritus voll durchsetzte. Die Mennoniten haben nun 
              ihr Zentrum in Eichstock. 05) 
             
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      Protestanten 
        und Katholiken  
       Natürlich gab es zwischen 
        den protestantischen Neuankömmlingen und den alteingesessenen kath. 
        Bauern Probleme. Dazu gehörten die Sprache, die anderen Sitten, die 
        hier nicht gebräuchliche Tracht und die unterschiedlichen religiösen 
        Gebräuche, die ein Miteinander beim Feiern erschwerten. 
         
        Ein Problem, an das wir heute gar nicht mehr denken, waren die Abgaben. 
        Die Protestanten störten sich an den sog. Kirchentrachten (Zehent, 
        Reichnisse), die seit dem Mittelalter auf den Anwesen ruhten. Sie sahen 
        nicht ein, dass sie als Protestanten dem kath.Pfarrer Abgaben leisten 
        sollten. Es waren nicht nur Geldleistungen, sondern auch Naturalabgaben, 
        wie z.B. Brotlaibe oder Nudeln für die Segnung von Weihwasser oder 
        das Läuten der Glocken. Von den Gegenleistungen der Pfarrer oder 
        Mesner der z.T. ohnehin fernen Pfarreien hatten sie nichts. Und zudem 
        mussten sie auch die Kosten ihrer eigenen Religionsausübung tragen. 
        Aber die staatlichen Abgabenvorschriften hielten sich zäh; trotz 
        vieler politischer Initiativen wurden sie erst 1912 abgeschafft 03). 
      Nur am Rande 
        hatte ein Rechtsstreit mit der Religionszugehörigkeit zu tun. Der 
        Mennonit Jakob Leising, der 1840 den Bauer-Hof in Fränking gekauft 
        hatte, verweigerte dem Pfarrer von Weichs einen Teil des Kleinzehents, 
        weil er er die "neumodischen Erdäpfel" (Kartoffeln) 
        nicht zum Gemüse zählte, sondern zum Viehfutter. Als der Pfarrer 
        im Oktober 1842 1 Fuhrknecht, 3 weitere Knechte, 5 Taglöhner und 
        2 Mägde auf das 12 Tagwerk große Kartoffelfeld von Leising 
        schickte, um den Zehent einzuholen, vertrieb der Mennonit die katholischen 
        Eintreiber mit Gewalt.  
        Im Gef... des folgenden Rechtsstreits vor dem Landgericht Dachau einigten 
        sich die Parteien darauf, dass die seit 1800 auch in Bayern angebaute 
        Erdäpfel nicht nur indirekt über das Schwein, sondern auch direkt 
        zum menschlichen Verzehr geeignet und damit abgabepflichtig sind.  
        16) 
         
        Beerdigungen wurden von katholischen 
        Geistlichen vorgenommen. Die Toten wurden wohl bis zur Einrichtung von 
        Friedhöfen in Kemmoden und Lanzenried in Oberallershausen beerdigt, 
        was -so wird mündlich überliefert- zur kuriosen Situation führte, 
        dass es angeblich eine katholische und eine evangelische Schaufel gab. 
        In der Tat gab es vor der Errichtung des Vikariats in Kemmoden zweierlei 
        Begräbnisformen: Während Katholiken "mit allen Ehren" beerdigt 
        wurden, hatte das Begräbnis eines Protestanten ohne jedes Aufsehen 
        vor sich zu gehen, "sine lux et crux" ohne Licht und Kreuz, und der Pfarrer 
        trug zivile Kleidung 
        10). 
        
      Hans Schertl 
        
      Quellen:  
        01) Heyberger, Landes- und Volkskunde 
        des Konigreichs Bayern ,1868 (Statistik)  
        02) Georg Brenninger: Orgeln in 
        Altbayern. Bruckmann, München 1982, ISBN 3-7654-1859-5.  
        03) Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge, 
        Läutlaib, Flachs und Nudeln, Amperland 1988  
        04) Gerhard Hanke / Wilhelm Liebhart, 
        Der Landkreis Dachau, S. 122, 1992  
        05) Ulrich Schneider, 1100 Jahre Jetzendorf, 1993  
        06) Thiel/Mecking, Chronik der Gemeinde Petershausen, 
        Band 2 Kunst und Kultur, 2000  
        07) Lutz Pilgrim, Evangelisch mitten 
        in Bayern? Süddeutsche Zeitung 2001/Nr. 283  
        08) Petra Schafflik, DAH-SZ vom 16./17.Mai 2015 (Friedhof, 
        Einödhof)  
        09) Josef Ostermair, Dachauer Nachrichten 
        v. 13./14.Mai 2015  
        10) Susanne Pfisterer-Haas, Festvortrag 
        zum 175. Jubiläum der Kirche von Lanzenried am 17. Mai 2015  
        11) Josef Ostermair, Dachauer Nachrichten 
        19.Mai 2015 
        12) Wie in einem fremden Land, Dachauer 
        Nachrichten vom 5./6./7. Jan. 2018 
        13) Heimatbuch des Landkreises Dachau, 
        1971  
        14) Sonja Siegmund, Die Kirche als 
        Mittelpunkt, Dachauer SZ (um 2000) 
        15) Repertorium 
        des topographischen Atlasblattes Dachau, 1824 
        16) Alois 
        Kammermeier, Der Prozessum den Kartoffel-Zehent in Weichs, Heimatblätter 
        der Gemeinde Weichs, 2015  
        17) 
        Liste der Baudenkmäler 
        in Markt Indersdorf, Bayer. 
        Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler-Stand 2024 
          
         
         
         
         
        9 Bilder: Hans Schertl  
      
        
      9.4.2022 
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