Marienkapelle
beim Gernhof in Langengern
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Beschreibung
Die Ortschaft Langengern liegt
an der alten Römerstraße von Passau nach Augsburg, die
an dieser Stelle über lange Zeit Oberbayern von Schwaben trennte.
Die Häuser an der Südseite Langengerns gehörten zum
Landkreis Dachau, die Nordseite zum Landkreis Aichach. Heute zieht
sich nur noch die Gemeindegrenze (Erdweg/Altomünster) durch
die Ansiedlung mit 54 Einwohnern (2013).
Die Ortschaft Langengern
dürfte um 1500 gegründet worden sein. 06)
Sie gehört
seit jeher zur Pfarrei Sittenbach. 1820 lebten hier 71 Einwohner
(Katholiken) in 16 Häusern. 07
Die Kapelle beim
Gernhof ist schon über 300 Jahre alt.
Gegen Ende des Jahres 1700 bat der Hofmarks-Herr
von Unterweikertshofen, Franz Ferdinand Graf von Preysing, den Freisinger
Fürstbischof Joh. Franz von Eckher, zu bewilligen, dass in
der neuerbauten Marienkapelle in Gern (= Langengern) auf einem Tragaltar
die hl. Messe gelesen werden dürfe.
Der mit der Besichtigung der
Kapelle beauftragte Pfarrer von Arnbach berichtete am 22. November
1700 dem Ordinariat, dass
"die kleine, und in die runde mit sechs Eck erbaute Capellen,
so mit zwei Seiten Fensterlein versehen und ohngefehr 20 persohnen''
fasse, an einem bequemen Ort liege, sauber ausgebaut und mitten
auf dem altar mit einem andechtigen Frauenbild in den armen dass
Jesulein tragend se.e versehen, zu welchem Frauenbild das Bauersvolck,
wie dass geopferte Wax thue zeigen, schon würklich nit ein
geringe andacht thuet tragen....
In Bedenckhung, dass auch bey dem Bauersvolck (hoffentlich) die
Andacht gegn der wertisten Mueter Mariae von tag zu tag wurde vergrößert
werden", befürworte er den Antrag des Grafen Preysing.
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Nachdem sich auch der Pfarrer von Sittenbach,
in dessen Wirkungsbereich
die Kapelle lag, dafür ausgesprochen hatte, erteilte das Fürstbischöfliche
Ordinariat am 30. Dezember 1700 das Zelebrationsrecht.
Bald darauf entstand eine kleine
Wallfahrt.
Gnadenbild war eine 15 cm
große, aus Ton gebrannte Muttergottesfigur aus dem 15. Jh, wie sie
damals häufig im Devotionalien-handel und von Hausierern verkauft
wurden (das segnende Jesuskind auf ihrem Schoß war eine spätere
Ergänzung). "Diese Ton-figur", so schrieb der vom Bischof
beauftragte Dachauer Pfarrer Mörz in seinem Bericht vom 21.1.1707,
"sei von Erdten, nit vil yber ein halbe spannenlang und von derley
Gattung, wie sie auf dem Landt Vielfeltig herumbgetragen und per 2 oder
3 Heller Verkhaufft werden." Meist hatte man diese Tonfiguren
am originalen Kultbild "anberührt", die dadurch nach Meinung
der Leute dessen Wunderkraft übernahmen. Manche der Figuren wurden
auch zur Abwehr von Schädlingen in die Felder vergraben oder in Bäumen
versteckt.
In Langengern war die Figur vom Bauern Balthasar Schrott um 1703/04 in
einer hohlen Buche aufgefunden worden. Er baute eine kleine Kapelle und
nannte die Figur "Muttergottes in der Buche".
Die Kunde von Balthasar Schrotts
Heilung von einem langwierigen Bruchleiden durch die Anrufung der "Muttergottes
in der Buche" löste spontan einen gewaltigen Zulauf von
Hilfesuchenden, Kranken und Bresthaften aus. Schon nach kurzer Zeit wurde
von Gebetserhörungen berichtet. Begehrt
war bei den Wallfahrern auch das Öl, das in den Lampen vor dem wundertätigen
Bild brannte sowie natürlich Splitter vom Holz der Buche, in der
das Gnadenbild gefunden worden war.
Die Wallfahrer brachten so
reichliche Opfergaben, dass man sich in Langengern zum Bau einer
Wallfahrtskirche entschloss und schon Baumaterial kaufte.
Dies beunruhigte die Mönche
im nahen Kloster Taxa, die durch die neu aufkommen-de Kultstätte
finanzielle Einbußen für Ihre eigene Wallfahrt Maria
Stern befürchteten. Sie baten den Fürstbischof in Freising
"dises genzlich abzuthuen, damit ihr armes Clesterl andurch
nit geschwecht wurde".
Der Bischof verbot zwar die
Wallfahrt zur "Muttergottes in der Buche" nicht; doch
er entschied, dass die Gnadenfigur in die Pfarrkirche von Sittenbach
gebracht werden müsse. Dagegen erhob die Gräfin Maria
Francisca Khuen von Belasi Einspruch, weil sie das wundertätige
Bildnis in ihrer Hofmark, die Unterweikertshofen und Langengern
umfasste, behalten wollte.
So kam die Muttergottesfigur
nach Unter-weikertshofen und dort entstand für ein halbes Jahrhundert
eine Wallfahrt.
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Der
frühbarocke Altar mit Säulenarchitektur ohne Auszug nimmt den
gesamten Schluss der Kapelle ein. Zwischen den Säulen wäre der
Platz für drei Figuren, die noch aus der Frühzeit des 15. Jh.
stammen:
die Muttergottesfigur in der Mittelnische und die beiden Apostelfiguren
von Petrus und Paulus in den Seitennischen sind aber ausgelagert und werden
nur zu den wenigen Gottesdiensten hier aufgestellt.
Im Verzeichnis der Kunstdenkmale des Königreichs Bayerns werden die
Figuren wie folgt geschildert:
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"
Auf dem Renaissancealtar in der Mitte bemalte Holzfigur der Madonna;
sie hält auf dem 1. Knie das nackte Kind, in der R. hat sie das
Scepter. H. 78 cm mit der alten Krone. Links Paulus in der R. das
Schwert, in der L. Gewand mit Buch. H. 67 cm. R. Petrus in der L Schlüssel,
in der R. Buch 69 cm. Höchst interessante Figuren vom Anfange
des 15. Jahrhunderts." 01)
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Wegen Einsturzgefahr und nicht mehr
zu behebenden Mauerschäden musste die Kapelle vor einigen Jahren
abgebrochen werden.
Dank der Initiative und Opferbereitschaft des Gernbauern und seiner Familie
sowie tatkräftiger Mithilfe von Freunden und Förderern konnte
sie getreu dem alten Vorbild neu aufgebaut und am 2. Juli 1985 geweiht
werden.
Hans Schertl
Quellen:
01) Bezold/Riel, Kunstdenkmale
des Königreichs Bayern, 1895 (gotische Figuren)
02) Heimatbuch des Landkreises und der Stadt Dachau,
1971
03) Robert Böck, Zwei untergegangene Marienkultstätten
der Barockzeit in Langengern u.UWeikertshofen, Amperland 1985/4
04) Robert Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, Bd
7 der Kulturgeschichte des Dachauer Landes, 1991
05) Robert Böck, München, Infoschrift zum
Dachauer Weihnachtstaler 2008
06) Johann Beck u. Anton Mayr, Festschrift 50 Jahre
Braxenclub, 2014 (1500)
07) Tabellarische
Beschreibung des Bisthums Freysing nach Ordnung der Decanate-Deutinger,
1820, S.18
2 Bilder: Alfred Bayer
9.3.2022
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