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Pferderennen (Rennet)
an Silvester in Kleininzemoos
Die Kirchenrechnungen von 1654, 1695, 1700, und 1710 weisen folgende, zunächst nur schwer verständliche Posten auf:
1630:
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Bei Einnahmen: "An Silvsters Tag, ist an allerley getraidt undereinander geopfert worden .3. schl: 10 Viertl, desßen daß Schl: verkhaufft worden Per .4.f tt. 15.20.-" Bei Ausgaben: "Herrn Pfarrer gibt mann von verrichtung deß Gottsdiensts an der Khirchweich, und St.Silvessters Tag: -.15.-" " Jtem auf St.Sivesstry Tag, Zum Rennet, ain Duech, Zopf, und Lebzelten erkhaufft P: 2.44.- |
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1640:
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Bei
Einnahmen: Und weilln St.Silvesten Tag alwegen auf den lesten xbris, also erst nach verrichter Rechnung einfeldt, alß würdet verrechnet. Nihil./. Bei Ausgaben: "Herrn Pfarrer gibt mann Jerlich von Verrichtung deß Gottsdiensts an der Kirchweich: und St.Silvessters Tag: -.15.-" |
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1650:
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Bei Einnahmen:
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1654:
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Bei
Einnahmen: "Dan an St.Silvesstertag ist Traidt allerlay Vermischtes Getraidt geopfert, unnd wider armen Leuthen verkhaufft .3. Schäffl. .1. Vrtl. iedeß zu .3.f. ist 9.15.-" Bei Ausgaben: "Herrn Pfarrer gibt man Jährlich von Verrichtung deß Gottsdiensts an der Khürchweich, unnd St.Silvesstertag: -.15.-" "Dann ist an St.Silvesstertag zu ainem doppelten Rennet, alß nache unnd weitte auch ainem Lauffet zu fuesß, umb ain Rottes Tuech, .3. Elln Parchet .2. Tafl. Lebzelten, unnd ainen Zopf 4.2.-" |
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1695:
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Bei
Einnahmen: "An St.Sillvsterj Tag ist allerlei gethraidt geopfert: unn wider nach. unnd nach: den armen Leuthen verkhaufft: so dann hieraus erlesst worden 14.40.-" Bei Ausgaben: "Dann so ist an St.Silvstri Tag zu ainem doppelten Rennet, als nachent, unnd weith, Umb Rots tuech ausgelegt wordten.. 4.45.- Vor ain Zopf, unnd Lebzelten zum Fues Renneth .30.- Dem so die Strä gemacht geben -.30.- Dem Amtman, so beim Rennet plaz gemacht, geben -.15.-" |
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1700:
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Bei
Einnahmen: "An St.Sillvstri tag am Rennet ist 1 sch. 5 Viertl allerhandt getraidt hiehero geopfert: und denen hausarmen Leithen das schäffl. zu .9.f.30.kr angeschlagen verkhaufft worden also erlöst .13.27.4 Absonnderlich an St.Sillvestri Tag ersamblet 2.32.2 So haben die ienigen, welche am gehaltenen Rennet die .2. erste gewinnts yberkommen, in Stockh hergeben heur 2.40.-" Bei Ausgaben: "Dan ist an St.Sillvstri tag zu ainen toppelten Rennet als nachent und weith umb rottes tuech usgelegt worden heur sag Zötls 5.24.-" "Vor einen Zopf und Lebzelten Zum Fueß-Rennet -.30.-" "Deme, so die Sträh gemacht -.6.-" Dem Amtman, so beim Rennet plaz gemacht -.15.-" |
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1710:
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Bei
Einnahmen: "Am St.Silvestri Tag am Rennet ist daß geopferte .1.schl.-M:Korn ad .6.f:45.kr: unnd .4. Viertl Gerssten pr:1.f:55.kr: denen Hauß Armen leithen Verkhaufft worden, so Zesammen trüfft 8.40.-" Absonnderlich an St.Silvestri Tag ersamblet 2.30.-" "So haben die ienige, welche an gehaltenen Renneth die .2. erste gewünther yberkommen, in stockh hergeben 2.23.4" Bei Ausgaben: "Dann ist an St.Silvesster Tag zu ainen dopplten Renneth nachent: unnd weith umb rothes tuech ausgelegt worden .3. f:20.xr: dan vor .1 1/3. Goldtperg a .1.f:16.xr: thuett Zesamben 5.1.2" "Vor .3. Tafl. Lebzelten Zum Fueß Rennet heur bezalt -.15.-" "Deme, so die Strähe gemacht -.6.-" Dem Ambtman, so Beim Renneth plaz gemacht -.15.-" |
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1715:
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Bei
Einnahmen: "An St.Silvestrj Tag am Rennet ist das geopferte Khorn mit .1. Schäffl. und .3. vrtl: Gersten denen hausarmmen Leuthen, und zwar das Schäffl. Khorn pr:5:f:30:kr: und die .3. Viertl Gersten ad .1.f.7.x: Verkhaufft worden, so zusammen trüfft 6.37.4" Absonderlich an St.Silvestri Tag ersamblet 1.16.4" "So haben die ienige, welche an gehaltenen Renneth die .2. erste gewinnther yberkommen, in Stockh gegeben 2.43.-" Bei Ausgaben: "An St.Silvestrj Tag ist zu einem doppelten Rennet nachent, und weith umb .1 1/2 Ellen Carmesin Rothes Tuech .3. f:15. und für sovill Ellen Englisch schlechtes Rottes Tuech .1.f.45.x. zusamen aber ausgelegt worden 5.-.-" "Vor .2. Tafel Lebzelten -.10.-" "Für den Zopf -.15.- "Dem, so die Strä gemacht -.6.-" "Dem ambtman so beim Renneth plaz gemacht -.15.-" |
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1726:
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Bei
Einnahmen: "An St.Silvestrj tag Rennet ist das geopferte Khorn mit .4. Mezen, und .7. Mezen Gersten, so denen haus armmen Leuthen, und zwar der Mezen Khorn Pr:1:f:20:x: und Gersten a .1.f. Verkhaufft worden trifft zusammen 6.20.-" Absonderlich an S.Silvestrj tag ersamblet -.48.-" "So haben die ienige, welche an gehaltenen Rennet die .3. Erste gewinnt Yberkhommen, sonsten in stockh geben,mit einschlus .10.x. fürn zopf und Lebzelten .3.f: weillen naber anheur die .3. gewinnter Unndereinander streittig worden, als seint nit allein beede tiecher, sondern auch der Parchet dem Gottshaus Völlig geschenkht worden, als khombt diss ausgab importiert haben mit 6.-.-" Bei Ausgaben: "An S.Silvestrj tag zu ainem doppelten Rennet in die nachent. und weitten ist für 1 1/2 Ellen Carmasin Rottes tuech a .2.f:10.x; und für sovill Ellen dergleichen schlechtes tuech Pr: .1.f.10.x. zusammen aber nebst .3. Ellen Parchet ad .20.x: ausgelegt worden 6.-.-" "Vor Täfl. Lebzelten -.15.-" "Für den Zopf -.15.- "Dem, so die Sträh gemacht -.6.-" "Dem ambtman so beym Rennet Plaz gemacht -.15.-" |
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1730:
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Bei
Einnahmen: "Am St.Silvestri Tag Rennet, ist das geopferte Khorn mit .-Schl. 5. Mezen .2.Vrtl: und gersten - Schl.1.Mezen, .3. Vierlin, so denen haus armen Leuthen, und zwar den Schäffl. nach das Khorn pr.3.f.48.x: und Gersten pr: 3.3.48.x: Verkhaufft worden, trüfft ausgerechnetermassen auszuwerffen 4.27.2" Absonderlich an St.Silvestri Tag ersamblet 1.29.4" "So haben die ienige, welche an gehaltenen Rennet die .3. erste gewinneter yberkhommen, im Stockh geben mit einschluss .12.x: für den Zopf und Lebzelten 3.2.-" Bei Ausgaben: "An St.Silvestri Tag zu einem doppelten Rennet für die nachent. und weithe ist vür 1 1/2 Elln Carmesin Rothes Tuech a .2.f:10.x; und für sovill Elln dergleichen schlechtes pr: .1.f.10.x. zusammen aber nebst .3. elln parchet ad .20.x: ausgelegt worden 6.-.-" "Vor die Tafel Lebzelten -.15.-" "Für den Zopf -.15.- "Dem, so die Strähe gemacht -.6.-" "Dem ambtman so beym Rennet plaz gemacht -.15.-" |
Beim "Rennet" handelt es sich um ein Pferderennen, beim "Lauffet zu fues" um ein Rennen zu Fuß, die jeweils an Silvester (31.Dezember) abgehalten wurden. In der Kirchenrechnung ist sogar von einem doppelten Rennet die Rede. Das waren Rennen über eine kürzere und eine längere Strecke, ein doppeltes Rennet für die nachent (=Nähe) und weithe (=Weite). Zudem werden von 1654 bis 1710 auch Fußrennen erwähnt (Lauffet zu fuesß).
Diese
Rennen werden keine originär kirchliche Veranstaltungen gewesen sein. Aber
die Tatsache, dass die Einnahmen und Ausgaben in den Kirchenrechnungen auftauchen,
legt doch eine enge Verbindung mit dem kirchlichen Bereich nahe. Der frühere
Freisinger Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge bezeichnete sie sogar als "kultische
Rennen", denen "durch die Ausstellung der Preise am Altar des Patrons
sakrale Bedeutung verliehen worden sei" (so auch Brauchtumsforscher Dr.Georg
Schierghofer).
Da
die Archive im 19.Jh den größten Teil der Kirchenrechnungen aus Platzgründen
vernichteten und nur wenige Jahresrechnungen exemplarisch aufbewahrten, kann
man die Rennen nicht nur auf die o.a. Jahre beschränken. Wahrscheinlich
wurden sie jedes Jahr abgehalten, wenn das Wetter mitspielte.
Rennorte
Solche Rennen wurden auch in anderen Orten abgehalten. Beliebte Renntage waren
der 26.12 (Stefanitag), der 28.12. (Kindltag), der 31.12. (Silvester) und der
20.1.(Sebastianitag). Der frühere Kreisheimatpfleger Rudolf Goerge hat
20 Orte im Gebiet der Landgerichte Dachau und Kranzberg aufgezählt, in
denen solche Rennen stattfanden. Es handelte sich somit um einen allseits beliebten
Brauch im sonst ereignisarmen Winter, in dem Mensch und Tier auch genügend
Zeit hatten. Allerdings war die Renn-Kultur nur selten so ausgeprägt wie
in Kleininzemoos. Doppelte Pferderennen und Fußrennen gab es in den anderen
Orten nicht. Auch die Angaben in den Kirchenrechnungen sind in Kleininzemoos
wesentlich ausführlicher.
Wie verlief der Renntag ?
Dies
erfahren wir von den Kirchenrechnungen in Kleininzemoos nur unvollständig;
doch die Berichte der anderen bereits genannten Pfarreien ergeben zusammen ein
Mosaikbild, aus dem sich das Geschehen, das wohl überall ähnlich ablief,
erkennen lässt.
Zunächst wurde
in der Kirche ein Hochamt gehalten. Dabei wird wohl der rechte Seitenaltar,
der dem hl.Papst Silvester geweiht ist, besonders geschmückt gewesen sein.
Die Reiter hatten als eine Art Teilnahmegebühr Getreide zu spenden, das
sie vor den Silvesteraltar
schütteten; dafür wurden Ross und Reiter vom Pfarrer gesegnet. Das
Getreide verkaufte die Kirche und nahm dadurch Geld ein. Manchmal wurden die
Spenden auch für wenig Geld Bedürftigen überlassen, wie dies
in Kleinberghofen häufig der Fall war.
Danach
jagten die Teilnehmer mit ihren Rössern vor dem Dorf eine bestimmte Strecke
entlang, umrundeten eine Stange (Rennstängl) und kehrten zurück. Als
Rennmeister fungierte meist der Ortsgeistliche. Der Sieger des Rennens erhielt
als Siegerpreis
(=Vortl) ein großes rotes Tuch (s.o. 1654: "Rottes
Tuech"), das
damals neben dem ideellen auch einen hohen wirtschaftlichen Wert hatte; der
rote Farbstoff war teuer.
Hanke beziffert den Wert des Tuchs auf 13 bis 16 Gulden. Was die
Zweit- und Drittplazierten erhielten, ist in Kleinberghofen nicht im Detail
überliefert. Aber als weitere Preise sind genannt: ein
rotes Tuch schlechterer Qualität ("Englisch schlechtes Rottes Tuech"),
sonstige Stoffe ("Parchet"), Lebzelten und Zopfgebäck.
Von anderen Orten ist bekannt, dass als weitere Preise Schweine
(sog.Rennsäue) im Wert
von 30-45 Kreuzern oder auch Gänse dienten.
Wie lange gab es solche Rennen ?
Für Kleinberghofen lässt sich das nicht sagen, weil die vorliegenden
Kirchenrechnungen im Jahr 1726 enden.
Von anderen Orten wissen wir, dass die Verbote von kirchlichen Festen im Rahmen
der Aufklärung oder der Säkularisation, die die Pferderennen aus dem
kirchlichen in den säkularen Bereich verschoben haben, also vom Pfarrer
zum Wirt. Pferderennen anlässlich von Hochzeitsfesten sind bis weit in
das 20.Jh hinein bekannt. Nur in einzelnen Dörfern wie z.B. in Hohenbachern
bei Freising hat man sie noch einige Jahrzehnte länger gepflegt.
Interessant ist die Begründung für das Verbot der "Kirchenrennen"
in Nandlstadt durch das Amtsgericht Moosburg im Jahr 1807:
Danach lasse es sich "nicht mit dem reinen Christenthum, noch mit positiven
Religionslehren" oder "mit den Staatsgrundsätzen der Kirchenpolizey"
vereinbaren, "daß der für das Heiligthum geweyhte Tempel Gottes
durch profane Vorbereitungen zu einem öffentlichen Pferderennen und durch
das Ausstellen jener für ein profanes Volksspiel bestimmten Insignien von
Halstüchern, Fähnleins mit großen Thalern entweihet, oder wohl
gar in diesen geheiligten Orten der Andacht und Herzenserhebung zu Gott, ein
zum abergläubischen Genuß gebackenes Brod mit Zettelchen markirt,
dem Volke ausgetheilt werde".