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Pferderennen
in Pasenbach an St. Leonhard
Die
Domestizierung des Pferdes brachte den Menschen große Vorteile. Weite
Strecken waren mit dem Reitpferd schneller zu überwinden, die Kraft der
Pferde wurde zum Ziehen von Wagen und Pflug eingesetzt. Des Weiteren wurden
sie als Fleischlieferant genutzt und in kriegerischen Auseinandersetzungen
bei der Kavallerie verwendet. Der Einsatz des Pferdes als Arbeitstier
wurde erst im Mittelalter durch die Erfindung des Kummets möglich. Vorher
hat man sich in der Landwirtschaft vor allem der Ochsen bedient. Während
Vollblüter und die etwas ruhigeren Warmblüter Reittiere sind und auch
als Zugtiere vor leichten Kutschen verwendet werden, sind die eher massigen
Kaltblüter von langsamerer Gangart und fast ausschließlich Zug- und Arbeitstiere.
Die Kirchenrechnung von 1673 Bei
Nachforschungen zu den frühesten Leonhardiumritten in Pasenbach tauchten
im Archiv der Erzdiözese München-Freising alte Kirchenrechnungen auf,
deren älteste aus dem Jahre 1673 stammt. (FN
II)
Auf
der Seite "Ausgab auf Priesterschaft und Mößner (Mesner)"
findet man, dass der Pfarrer der Pfarrei Vierkirchen, Gregor Wieland,
der auch in der Einleitung erwähnt wird (Gregoris Wiellanders), für das
Abhalten des Gottesdienstes "wie von alters" 30 kr. (Kreuzer) erhielt.
Das heisst, dass nicht der Benefiziat von Pasenbach, damals Johann Schwarz,
das Amt zelebrierte, sondern der Pfarrherr selbst. Auch der Mesner, hier
als Caspar Hochenegg erwähnt, bekam extra 12 kr. für seine Dienste. Wie
feierlich der Festtag abgehalten wurde, zeigt auch der Eintrag unter "Sonderbare
oder Gemaine Außgaben". Da wird dem Schulmeister von Vierkirchen
Joseph Khärnbacher als Leiter des Chores für die Ausschmückung des Festes
und das Singen bei "Vesper und Ambt" gedankt. Der
Hinweis auf Vesper und Amt zeigt auch, dass nicht nur eine normale Messe
zelebriert wurde, sondern dass dem Patroziniumstag eine größere Feierlichkeit
zustand.
Es wird also ausgesagt, dass, wie schon seit alters her, am Jahrestag des hl. Leonhard hier in Pasenbach ein Pferderennen, ein "Rennets", abgehalten wurde. Zu dessen "Ende", also nachdem der Sieger feststand, wurde diesem ein 1 ¼ Ellen langes, rotes Tuch überreicht, das 2 fl. (Gulden) gekostet hat. Eine Bayerische Elle war etwa 83 cm lang, also hier etwas mehr als ein Meter Stoff. Ein solches Gewebe war auffallend und besonders kostbar, weil sich ein Tuch in der scharlachroten Farbe (auch Karmin- Purpur- oder Krapprot) eigentlich nur reiche Personen leisten konnten (z. B. Kleidung der Kardinäle, deren Farbe darauf hinweisen soll, dass sie bereit sein sollen, jederzeit als Märtyrer für den Glauben zu sterben). Roter Farbstoff wurde früher sehr aufwendig gewonnen (FN III). Was aber war das besondere an einem solchen Rennen? Frühe Pferderennen n
den ehemaligen Landgerichten Dachau und Kranzberg sind nach den erhalten
gebliebenen, in der Regel mit dem Jahr 1630 beginnenden und mit der Säkularisation
1803 endenden Kirchenrechnungen in mehr als zwanzig Orten Pferde- und
Fußrennen ("Rennet und Lauffet") nachgewiesen. Auffallend ist die
Verdichtung des Brauches in der Mittwinterzeit, an den Festtagen des alten
Pferdepatrons St. Stephan, dem 26. Dezember mit zehn Belegen u. a. in
Steinkirchen, Schwabhausen, Lauterbach und Schleißheim, und an St. Silvester,
dem 31. Dezember mit sechs Belegen, u. a. in Hohenbachern, Kleininzemoos,
Mittelstetten, Lappach und Oberhandenzhofen. Zeitlich dazwischen, am 28.
Dezember, dem Tag der unschuldigen Kinder, liegen die Rennen in Fußberg
und Glonnbercha. Rennen in Günding, Mittermarbach, Fahrenzhausen und Indersdorf
wurden am Festtag des Pestpatrons St. Sebastian abgehalten, den man vielfach
auch bei Viehkrankheiten und Seuchen anrief. Die
Erwähnung eines Rennens an diesem Tag des Jahres 1595 in Sirchenried (Gericht
Mehring), damals schon als "alter Gebrauch" bezeichnet, ist der bisher
früheste Beleg im nordwestlichen Oberbayern. Das 1673 belegte Rennen in
Pasenbach ist der bisher einzige Nachweis für den Brauch im Dachauer Land
am Festtag des hl. Leonhard (FN IV). Das "Rennet" Bereits im Mittelalter fanden sogenannte "Scharlachrennen" statt, bei dem der Sieger ein langes, scharlachrotes Tuch als Preis erhielt. Diese Rennen waren besonders in den größeren Städten profane Rennen, an denen sich vor allem der Adel beteiligte. J. A. Schmeller sagt dazu: "Das Rennend (…), das Pferderennen, eine in Bayern, besonders auf Kirchweihen, Jahrmärkten und dgl. sehr beliebte Volksbelustigung, die unter der Regierung Herzog Albert des Dritten (1401-1460) aus dem Vaterland von dessen Gemahlin, einer braunschweigischen Fürstentochter, nach Bayern verpflanzt worden (war) (FN V). Weiter schreibt er: "Das erste Rennen in München im J. 1448 [wurde] während der Jacobidult gegeben. Das vordrist phardt gewann ein Scharlach-Tuch (…), d. h., dass der Erste ein scharlachrotes Tuch als Preis erhielt. In anderen Quellen (Cgm. 632) heißt es: "die ir ros lassent lauffen umb gewin, als lauffen oder rennen umb den scharlach". Aus
diesen "Scharlachrennen" entstanden die auf den Dörfern veranstalteten
"Rennet", bei denen die Preise von der Pfarrgemeinde gestiftet
wurden. Der erste Preis war auch hier ein rotes Tuch, der dritte oder
letzte oft ein Schwein. Von diesem Preis leitet sich übrigens auch der
Spruch "Schwein gehabt" ab, ebenso wie die "Rennsau", die also
nichts mit einem Schweinerennen zu tun hat. Über diese Pferderennen oder
Rennet bei uns im Amperland gibt es bereits einschlägige Untersuchungen
(FN VI). Wie lief nun ein solches "Rennet" ab? Das schildert Rudolf Goerge in einem Bericht über den Ablauf des Festes in Hohenbachern, Pfarrei Weihenstephan folgendermaßen: (FN VII). Nach dem feierlichen Hochamt am Tage des verehrten Patrons oder des bestimmten Festes umkreisten die Reiter mit ihren Pferden die Kirche innerhalb der Friedhofsmauer und empfingen vom Geistlichen für Ross und Reiter den Segen. Jeder Teilnehmer leerte vor dem Altar des gefeierten Patrons als Opfergabe ein Säckchen mit Korn aus. Das Getreideopfer gehörte zum festen Bestandteil des Rennens, wie die archivalischen Belege zeigen. So heißt es z. B. in einer Kirchenrechnung von 1630 aus Kleininzemoos: "An St. Silvestertag ist an allerley getraid undereinander geopfert worden 3 schl (Schäffel) 10 viertl, deßwegen das schl. Verkauft worden per 4 fl. tt. 15 fl. 20 kr.". (…) Nach dem Opfer erhielt jeder Teilnehmer ein Bildchen mit dem Pferdesegen und der Abbildung des Patrons. Im Vöttinger Pfarrarchiv soll ein solcher "Silvesterzettel" aus Hohenbachern (…) aufbewahrt werden. Nun begann das Pferderennen. Die Teilnehmer jagten mit ihren Rössern vor dem Dorfe eine bestimmte Strecke entlang, um den Sieg zu erringen. Als Rennmeister fungierte meist der Ortsgeistliche. Als Preise, die sogenannten "Vortl" wurden ausgesetzt bunte, besonders rote, Tücher, Stoffe (Parchet) und sogar Handschuhe, ein Zopfgebäck, Lebzelten und Gockel oder anderes Geflügel (daher "Gockelrennen"). In Hohenbachern erhielt der Verlierer einen Saukopf für den letzten Platz. Es ist gut vorstellbar, dass es in Pasenbach am St. Leonhardstag ähnlich zugegangen ist. Die Kirchenrechnung enthält nämlich auch einen Posten, wahrscheinlich für einen der nachplatzierte Teilnehmer: Ingleichen für 5 Ellen schwarz Parchet zu 16 kr. thuet 1 fl. 20 kr. Parchet, auch Barchent (FN IX). genannt ist ein Baumwollgewebe, Baumwollflanell. In den Kirchenrechnungen ist auch von den bereits erwähnten Getreidespenden die Rede: "Am Fest S. Leonhardti für ½ Schäffl. – Mezn geopfert underschiedliches Getraidt erlest. 2 fl. 30 kr. Diese Getreidespenden am St. Leonhardstag gab es mit wechselndem Erlös. Je nach guter oder schlechter Ernte schwankten die Einnahmen zwischen 5 und 12 Gulden. In den Kriegsjahren 1704 bis 1709 (Spanischer Erbfolgekrieg) fanden keine Rennen statt, erst wieder 1710 erscheint ein Eintrag. Eine weitere Besonderheit nennt Goerge ein "doppeltes Rennet", ein Rennen "alß nahe und weitte", also für eine kurze und eine lange Strecke, so ein Hinweis auf eine Kirchenrechnung von Kleininzemoos aus dem Jahre 1654. Die jeweilige Strecke war durch die "Sträh" (aufgestreutes Sägemehl) markiert. Kleininzemoos, ca. drei Kilometer von Pasenbach entfernt, war eine am Tag des hl. Silvester vielbesuchte Wallfahrt zur Bewahrung der Pferde und Rinder, verbunden mit dem Opfer von Getreide und anderen Naturalien, sowie einem Rennen. Bereits 1630, also zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, erscheint in den Kirchenrechnungen der Eintrag: (FN X). Item auf St: Siluesstry Tag. Zum Rennet, ain Duech (Tuch), Zopf, und Lebzelten erkhaufft P: 2 fl. 44 kr. Auch in den folgenden Jahren wurden die Rennen abgehalten, obwohl die Kirche durch Kriegseinwirkung, vermutlich 1648, abgebrannt war. Schon 1650 wird in den Kirchenrechnungen wieder vom Silvesterrennen gesprochen. Eigentlich ist die Patronin dieser Kirche die hl. Margareta, Beschützerin der Bauern und Hirten u. a., aber einer der Seitenaltäre ist den Vieh- und Pferdepatronen St. Sebastian und St. Silvester geweiht. Es war jedoch nicht ungewöhnlich, dass die Rennen nicht dem Kirchenpatron selbst gewidmet waren. In den Kleininzemooser Rechnungen ist auch die Rede von einem Wettlauf zu Fuß, der am selben Tag stattfand. Interessanterweise findet sich auch dazu ein Eintrag in den Pasenbacher Kirchenrechnungen. Dort heißt es wieder unter "Sonderbare oder Gemaine Außgaben": Für 2 Zöpf zum Fuesreneth 16 kr. Das bedeutet, dass der oder die Sieger des Rennens zu Fuß hier mit einem Gebäckstück, einem Zopf oder Fladen, belohnt wurden. Bei den Pferderennen gab es sogenannte Winterrennet und Sommerrennet. Viele, und vor allem älteren Rennen, fanden in der Spätherbst- und Winterzeit statt, wo auch die Festtage der häufig im ihre Hilfe angerufenen Schutzheiligen des Viehs liegen (Leonhard 6.11., Stephan 26.12., Silvester 31.12., Sebastian 20.1.). Das ist erklärbar durch die Tatsache, dass im Winter zur Feldarbeit keine Pferde benötigt wurden. Auch hatten die Bauern im Winter mehr Zeit für solche Festivitäten und ihre Pferde mussten sowieso bewegt werden. Ein Rennen im Sommer ist anlässlich des Patroziniumsfestes der Pfarrkirche St. Jakobus in Dachau am 25. Juli 1699 nachgewiesen (FN XI). Aus den ersten Zeitungen in unserer Region (Amperbote und Glonntalbote) entnehmen wir auch Anzeigen zu Pferde- und Schlittenrennen, die, unabhängig von kirchlichen Festen, meist von Wirten zur Steigerung von Umsatz und Bierkonsum, abgehalten wurden. Die erwähnten "Heilerrennen" wurden von kürzlich kastrierten jungen Pferden bestritten, die sich eben noch in der "Ausheilzeit" befanden.
Rennen und Leonhardiritt Ein schwieriges Unterfangen ist der Versuch, die beschriebenen Pferderennen mit den bekannten Leonhardifahrten oder –ritten in Zusammenhang zu bringen. Sogenannte Umritte haben ihre Wurzeln in teils noch heidnischen Kulten. Deshalb unterscheiden Fachleute auch zwischen kirchlichen, patronisierten Umritten mit Pferdesegnung, und profanen, abergläubischen Flur- und Grenzumritten (FN XII). Letztere, zu denen vor allem die in der Frühlingszeit abgehaltenen "Pfingstl-, Wasservogel-, Steffl. - oder Fastnachtsritte" gehören, wollen wir hier nicht näher beschreiben. Zu dem Thema schreibt Rudolf Goerge: Bemerkenswert ist auf jeden Fall, dass die Pferderennen in engem Zusammenhang mit der Kirche standen. Die Kirche, bzw. der in ihr herrschende Patron unterstützt und fördert nämlich solche Rennen unmittelbar, indem sie aus dem eigenen Vermögen oder aus dem Opferanfall die Preise stiftet und diesen sogar mittelbar oder unmittelbar, z. B. durch Ausstellung am Altar des gefeierten Patrons (hier St. Leonhard), sakrale Bedeutung verleiht.
Als
fast untrügliches Merkmal einer Umrittsstätte sieht Georg Schierghofer
das Vorhandensein des Bildes eines Umrittsheiligen (wie in Pasenbach des
Hl. Leonhard) an der äußeren Kirchenmauer, denn von hier aus pflegte der
Rosssegen gespendet zu werden (FN XV).
Betrachtet man eine alte Flurkarte, so zeigt sich der damaligen Kirchenbau
so freistehend, dass ein Ritt um die Kirche leicht möglich war. Leonhardiritte
erwähnt die von dem Hirten Mathias Kneißl im 18. Jahrhundert gegründete
Bruderschaft nicht, sie galt vor allem dem Seelenheil und Gedenken der
verstorbenen Mitglieder (siehe HHH – Heft 9). Aus Archivalien des Klosters
Indersdorf (FN XVI). erfahren
wir, dass der dortige Kastner mit dem Verwalter um 1768 sowohl nach Pasenbach,
als auch nach Inzemoos geritten ist, beides, wie beschrieben, naheliegende
Wallfahrtsorte mit Pferderennen. In der Aufklärungszeit und vor allem in der Säkularisation (1803) wurden die (kirchlichen) Rennen verboten, doch wurde der Brauch vereinzelt noch weiter ausgeübt. In einem Schreiben des Landgerichts Moosburg aus dem Jahre 1807 heißt es dazu, es lasse sich "nicht mit dem reinen Christenthum, noch mit positiven Religionslehren" oder gar "mit den Staats-Grundsätzen der Kirchenpolizey" vereinbaren, "daß der für das Heiligthum geweyhte Tempel Gottes durch profane Vorbereitungen zu einem öffentlichen Pferderennen und durch das Ausstellen jener für ein profanes Volksspiel bestimmten Insignien von Halstüchern, Fähnleins mit großen Thalern entweiht (…) werde" (FN XVII). Ob
aus ähnlichen Gründen auch in Pasenbach weder Pferderennen, noch Umritte
mehr stattfanden, ist unbekannt. Die Gründung des Leonhardibundes 1762
spricht eher für eine Beibehaltung, doch gibt es dazu keinen schriftlichen
Nachweis, außer vielleicht die Bemerkung über den Indersdorfer Kastner.
Mein besonderer Dank für diesen Bericht gilt Herrn Robert Böck, der sein überaus fundiertes Wissen um alte Volksbräuche in vielen Stunden Recherche und Korrekturarbeit hier eingebracht hat. Ebenso danke ich Herrn Rudolf Goerge für die Forschungsergebnisse aus Hohenbachern den Herren Erich Beck und Josef Otteneder für das "Auffinden" der Kirchenrechnungen. Literatur: a)
Robert Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, Kulturgeschichte des Dachauer
Landes Bd. 7, Museumsverein Dachau e.V. 1991 Fußnoten: Bd.
9, Museumsverein Dachau 1989, S. 63 ff.
3.5.2013 |