Die ehem.Wies-Kapelle
bei GROSSBERGHOFEN
Geißelheilandfigur,
die zur Erinnerung
an die ehem. Kapelle aufgestellt wurde
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Beschreibung
In einem Wald bei Großberghofen
stand früher eine Kapelle zum gegeißelten Heiland von
der Wies. Sie ist in einigen Publikationen erwähnt.
Es gibt heute noch die Flurbezeichnung Kapellenacker
vor dem südlichen Ortsausgang.
Die Kapelle wurde 1745
aus Holz und zwei Jahre später nochmals aus Steinen errichtet.
Sie bestand nur 58 Jahre
und wurde 1803 im Zuge der Säkularisation abgetragen.
Gnadenfigur
In der Kapelle stand eine Figur des gegeißelten Heiland, eine
freie Nachbildung des berühmten Heilands in der Wieskirche
bei Steingaden. Die Figur ist nicht mehr erhalten.
1738 entstand bei Steingaden eine Wallfahrt, als beim Lory-Bauern
ein Bildnis (Figur) des gegeißelten Heilands Tränen vergossen
haben soll. Einer der Wallfahrer war auch "ein Wagner aus Großberghofen".
Sein Name ist in den Akten nicht angegeben, aber es dürfte
sich um Peter Imblinger (1701-1760) gehandelt haben, der damals
als Wagner tätig war. Er wollte sich nicht mit der Wallfahrt
allein zufrieden geben, sondern eine Stätte ständiger
Verehrung am Heimatort eine Kapelle bauen. Er kaufte sich in Steingaden
eine geschnitzte Nachbildung des gegeißelten Heilands und
hat "diese bildnuß Christi von der sogenannten Wisen
anheimb getragen und in einem Baum negst besagten Perghoven eingehauet",
d.h. in die Nische eines Baumstammes
gestellt. Es handelte sich somit um eine kleine Figur.
Das Leidensbild des Herrn zog rasch viele fromme Beter an; der damalige
zuständige Pfarrer Rottmanner aus Sittenbach versicherte, dass
"die leuth von andachts weegen (die Figur) allteglichen besuechet".
Auch Votivgaben bezeugten, dass das Gottvertrauen nicht unbelohnt
blieb, schrieb Jakob Mois.
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1745, noch bevor in Steingaden der
Grundstein für die berühmte Wieskirche gelegt wurde, entstand
in Großberghofen um das Gnadenbild im Baumstamm eine hölzerne
Kapelle zum Schutz gegen die Unbilden der Witterung. Doch die einsame
Gebetsstätte im Wald lockte auch Diebe und Gesindel an, die die Kapelle
nach Feststellung des Dachauer Landrichters "zum öffteren ausgeraubet"
haben.
Kapellenbau
Deshalb entschloss sich der seit 4.3.1746 in Großberghofen tätige
Kurat Georg Waldherr eine aus Steinen gemauerte und verschließbare
Kapelle in unmittelbarere Nähe des Dorfes (in Richtung Oberroth 02) )
erbauen zu lassen. Am 5. August 1747
meldete Pfarrer Rottmanner an das bischöfliche Ordinariat in Freising,
dass die "Feld-Capellen bereits schon in vollkommenen Stand gebracht"
sei. Er bat zugleich um Erlaubnis, das Gnadenbild im Baumstamm in einem
feierlichen Akt in die Kapelle übertragen zu dürfen.
Bischöfliche Wallfahrtserlaubnis
Doch vor der Erlaubnis kam ein Verweis, weil der Pfarrer die Kapelle ohne
bischöfliche Genehmigung errichtet hatte. Er solle erst berichten,
"was für eine Breite, Länge und Höche die neuerichte
Capellen" habe und wie er sich die Deckung des finanziellen Unterhalt
vorstelle. Pfarrer Rottmanner holte sich die Unterstützung des Landrichters
in Dachau, der bestätigte, dass
"Herr Curatus Georg Waldherr aus seiner
privatandacht und mit dem wenigen Beytrag der samentlichen Pauren zu
Grossenberghoven den pau der neuen Capellen
daselbst uf sich genommen"
und darüber hinaus noch 100 Gulden als Dotation beim Landgericht
hinterlegt habe. Dies führte zur bischöflichen Erlaubnis,
"daß in gedachten Capellen die bildtnus
des gegeisleten Heylandts auf der Wiesen mit einiger Solennität (Festlichkeit),
nemblich
nach vorheriger Verkindtung und Zusammenrueffung
des Volkhs übersezet werden möge".
Ausstattung der Kapelle
Leider haben sich über das Bauwerk und seine Ausstattung weder ein
Bild noch eine Beschreibung erhalten. Die Ortsgemeinde berichtete in einem
Gesuch an das Ordinariat, die Kirche sei "in portionierlicher Größe
guett erpaut, dan durchgehents wohl versichert und geschlossen und auch
schön ausgezierdt".
Wir kennen zudem aus den Kirchenrechnungen die Baukosten (159 Gulden 33
Kreuzer + Hand- und Spanndienste der Bewohner) und die Herkunft der beteiligten
Handwerker (Glaser aus Fürstenfeld, Schlosser von Dachau, Maler von
Indersdorf). Von einem Turm oder von Glocken ist nicht die Rede; den Abschluss
des Dachgiebels bildete ein "blöcherner" Knopf", der
2 Gulden kostete. Für die Innenausstattung wurden gekauft: Leuchter
und Maibüschel (3 Gulden 31), ein Kästl zum Opfer Wax (=Opferstock)
für 2 fl. , zwei geschnitzte Bildnisse der Heiligen Leonhard und
Antonius (3 fl. .20 kr) sowie eine neue (Ewiglich-)Ampel (10 fl. !).
Dass die Kapelle nicht klein war, lässt sich aus der Zahl von 8 Kirchenstühlen
ersehen ("8 neue Stiele in die Capellen"). Die geopferten Gelder
und Sachspenden (z.B. Tiere) brachten in wenigen Jahren so viel ein, dass
alle Baukosten gedeckt werden konnten.
Wallfahrt
Die Wallfahrt zum Geißelheiland nahm auch nicht ab, als der erste
Förderer Kurat Georg Waldherr Großberghofen verließ und
die Pfarrei Sulzemoos übernahm. Im Frühjahr 1760 wütete
eine schlimme Viehkrankheit in der Gegend. Sie raffte in wenigen Tagen
einen großen Teil der Pferde, Kühe und Schweine hinweg. Jakob
Mois berichtet, dass bei einem Bauern sieben Pferde Schwellungen am Kopf
bekamen und nach kurzer Zeit verendeten ("kurzum gar crepieret").
In dieser Not wandten sich die Bauern in einer Bittprozession an den gegeißelten
Heiland und erhielten "hierauf auch alsobaldige Hilff". Nun
entstand der Wunsch, in der Kapelle regelmäßig eine Messe zu
feiern. Im Gesuch an den Bischof räumten die Großberghofener
finanzielle Bedenken aus, indem sie darauf hinwiesen, dass der Expositurkirche
kein Schaden erwachse, weil die Opfergefälle (Spenden) ohnehin dieser
zuflössen.
Der Pfarrer von Sittenbach war allerdings nicht so begeistert. Zwar seien
aus der Kapellenkasse tatsächlich eine Albe und zwei Messgewänder
gestiftet worden, doch halte er die Wallfahrt für eine Modeerscheinung;
so wie dies in Unterweikertshofen mit der Muttergottesstatue in der Buche
auch gewesen sei. "Sollche neue Andachten werden wunderselten
alt", schreibt er, sie kommen "ehenter in Verfall bevor sie
recht wahrhafft angefangen. Gleichwie es in loco Weigertshofen mit der
klein erdenen Bildtnus Mariae Unser liebe Frau in der Puech sich zugetragen
hat".
Und so schlug Pfarrer Rottmanner vor, die Messe dürfe nur auf einem
transportablen Altarstein gelesen werden und zudem nur an Werktagen. Außerdem
müsse die Erlaubnis auf 7 Jahre beschränkt werden (Originaltext:
"daß die heilige Meß super portatili an denen Werchtägen
allein, und längers nit als ad Septennium verrichtet werden därfte").
Die Entscheidung des Bischofs ist nicht überliefert. Doch es ist
anzunehmen, dass er dem Vorschlag des Pfarrers folgte.
Abriss der Kapelle
Über das weitere Schicksal der Wieskapelle ist nicht viel bekannt.
In der folgenden Zeit der Aufklärung ging das Wallfahrtswesen allgemein
zurück. Selbst das Abrissjahr ist nicht bekannt. Man nimmt aber an,
dass das Kirchlein bei der Säkularisation als überflüssig
eingestuft und abgetragen wurde.
Verblieben ist allein die Flurbezeichnung "Kapellenacker" (alte
Katasternummer 567). Doch Jakob Mois beklagt, dass Ende des 20.Jh. die
Leute nicht mehr wussten, welche Bedeutung dieser Name hatte.
Die gesetzliche Voraussetzung für
den Abriss schuf die Verordnung vom 17. April 1802, die bestimmte, daß
überzählige Gottes- häuser abzubrechen seien und deren Baumaterial für
neue Schulhäuser zweckdienlicher anzulegen sei (Motto: Schulen statt Kirchen;
allgemeine Schulpflicht), Feldkapellen die nicht ordentlich consecrirt
sind, sollen... abgebrochen, und das Material nach den höchsten Verordnungen
vorzüglich zur Reparation oder Erbauung von Schulhäusern verwendet werden...
Filialkirchen, Nebenkirchen und Kapellen, ganz entbehrlich und zwecklos,
zumals wenn sie aus eigenen Mitteln ohne fremde Konkurrenz nicht erhalten
werden können, sollen reduziert, und die Gebäude andern Zwecken
gewidmet oder demolirt werden. 04)
Die Wieskapelle bei Großberghofen war eines von mindestens 12 Gotteshäusern
im Dachauer Land, die damals tatsächlich abgerissen wurden. Das waren
des Weiteren
- die Kirchen St.Georg in Edenholzhausen bei Weichs und St.Johannes
in Ruppertskirchen bei Altomünster,
- die Kapelle in Udlding,
vier Kapellen in Dachau (Altöttinger-Kp, HeiligGrab-Kp, Nepomuk-Kp,
Polln-Kp), die Kapelle in der Roth- schwaige,
die Hippolythkapelle in Ampermoching, die Sebastianskapelle in
Armetshofen und schließlich, als größter Bau,
- das Kloster Taxa.
Dabei waren auch viele weitere kleinere Kirchen und Kapellen zunächst
als überflüssig bezeichnet worden und zum Abriss vorgesehen
gewesen; sie konnten aber letztendlich doch von den Bewohnern -mit teils
abenteuerlichen Begründungen- gerettet werden. Als Beispiele seien
genannt die Kirchen in Dietenhausen, Jedenhofen, Kollbach/Frauenkirche,
Sixtnitgern/St.Johann, Rettenbach und Rudelzhofen.
Zum Andenken an diese Kapelle stiftete
im Jahr 1950 der Hutter-Vater aus seiner heimatkundlichen Sammlung die
Figur eines Geißelheilands, die der Überlieferung nach aus
dem 1802 abgerissenen Kloster Taxa stammen soll (siehe Bild links). Sie
steht, nachdem man sie restauriert hatte, in der Friedhofskapelle bzw.
dem Leichenhaus in Großberghofen.
Hans Schertl
Quellen:
01)
Pfarrer Jakob Mois, Eine verschollene Wieskapelle im Dachauer Land, Amperland
1973/2
02) Jakob Mois, Geschichtliche Notizen
über einige Kirchen im Landkreis Dachau, ca.1950, unveröffentlicht
(S.18)
03) Robert
Böck, Wallfahrt im Dachauer Land, Bd. 7 der Kulturgeschichte des
Dachauer Landes, 1991
04)
Georg Brenninger, Kirchenabbrüche im Gebiet des Amperlandes als Folgen
der Säkularisation von 1803, Amperland 1992
1 Bild: Hans Schertl
2.5.2024
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